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Was bleibt von mir?

Welche Spuren hinterlässt du? Selbstwert

Im heutigen Blogbeitrag geht es um die Frage: "Was bleibt von mir?"

Die Inspiration dafür habe ich auf einem wunderschönen alten Biedermeierfriedhof in Wien bekommen. Aber keine Sorge: dieser Beitrag ist weder schwermütig, noch soll er dich unter Druck setzen doch endlich etwas aus deinem Leben zu machen... Er soll dich dazu anregen, dich mit folgenden Fragen auseinanderzusetzen:

  • Wie definiere ich mich?
  • Wer bin ich?
  • Welche Spuren hinterlasse ich?

Zum Lesen & Hören!

 

Wenn mein Kopf voll ist von Plänen, Ideen und Projekten gehe ich am Liebsten spazieren um wieder Klarheit in meine Gedanken zu bringen. Vorzugsweise in der Stille der Natur: im Wald oder auf dem Berg. In Wien findet man Stille besonders gut auf Friedhöfen. Nun sagt man uns Wienern ja ein sehr eigenes Verhältnis zum Tode nach und eine gewisse Morbidität nach. Da habe ich übrigens gleich das Lied „Da Hofa woars“ von Wolfgang Ambros im Ohr - kennst du das? Ich persönlich schätze auf alten Friedhöfen die Geschichten die die Grabsteine erzählen, die Stille und die ganz eigene Stimmung.

 

Neben dem alten jüdischen Teil des Wiener Zentralfriedhofs ist der Friedhof in St. Marx mein Favorit für einen Besuch. Wusstest du, dass wir in Wien den letzten Biedermeier Friedhof der Welt haben, der im Frühling in Fliederbüschen ertrinkt? Ich kann dir einen Besuch zu dieser Zeit wirklich nur wärmstens empfehlen!

Wie alt bist du?

Bei meinem letzten Besuch bin ich also wie so oft ganz entspannt die Gräber entlang gegangen. Die meisten Geburtsjahre lagen zwischen 1800 und 1860, das Todesdatum oft nicht viel später. Und da ist mir eines schnell bewusst geworden: die meisten Menschen auf diesem Friedhof, sind nicht viel älter geworden als ich es jetzt bin. Vor allem Frauen haben die 40 kaum überschritten. Wenige sind knapp 80 geworden – dazwischen gab es nicht viel.  Da habe ich große Dankbarkeit empfunden. Dankbarkeit dafür, in der heutigen Zeit mit der heutigen medizinischen Versorgung leben zu dürfen. Gleichzeitig ist mir der Gedanke gekommen, ob sich diese Personen tatsächlich wie 40 gefühlt haben. Denn ich muss ganz ehrlich sagen, ich fühle mich trotz meiner 44 Jahren oft wie Mitte 20. Nicht dass ich noch das wilde Partyleben führe – das habe ich zum Glück bis Ende 20 erledigt…. Aber dieses Gefühl noch ewig Zeit zu haben.

 

Geht es dir manchmal auch so? Ich weiß nicht wie alt du bist – aber entspricht dein tatsächliches Alter dem gefühlten? Denkst du manchmal auch, du hättest noch mindestens 40 Jahre Zeit um dein Leben so richtig zu leben? Hast du schon damit angefangen? Was brauchst du dafür?

Bist du stolz auf deinen Beruf?

Das nächste, das mir aufgefallen ist war, dass bei jeder Person eine Berufsbezeichnung steht. Also bei den Männern. Die Frauen, die

waren Witwe von…. oder Gattin von…. Das hat mich gleich aus vielerlei Gründen beschäftigt. Zum einen: Dass jede Person offensichtlich durch ihren Beruf definiert wurde. Da gab es die K.u.K. Offiziere, die Ärzte aber auch Landschaftsgärtner, Lehrer, Bäckermeister, Gastwirte, Beamte, Lederhändler und vieles mehr. Bei manchen Berufen musste ich Google befrage. Weißt du was ein "Fragner" ist? Oder ein "Regenschori" Nein? Siehst du, ein Spaziergang über den Friedhof ist auch Geschichtsunterricht…. Ein Fragner ist übrigens ein Kleinhändler, ein Regenschori der Dirigent eines Kirchenchores. Sollte man keinen Beruf gehabt haben, stand auf dem Grabstein "Bürger". Oder für die Glücklichen "Privatier". Die Bedeutung des Berufes war also so groß, dass es beinahe so wichtig war wie der Name.

 

Vermutlich hatte man im Gegensatz zu heute auch nur eine „Karriere“. Wenn wir das mit heute vergleichen wird das schon schwierig. Da würde ein Grabstein schnell ein paar Meter hoch um alle Berufsbezeichnungen unterzubringen. Was meinst du, hatte man damals die Tätigkeit auch ein wenig aufgebauscht? Wenn ich heute die Stellenanzeigen lese, muss ich auch hin und wieder Google befragen, denn

ehrlichgesagt habe ich keine Ahnung was ein "O365 Consultant Collaboration" ist. Oder weißt du, was ein "Agile Coach und Scrum Master" ist? Das hab ich mir nicht ausgedacht, sondern gerade beim Karriere Standard gelesen.

 

Sind wir heute noch so stolz auf unsere Berufstätigkeit, dass wir sie für die Nachwelt erhalten wollen? Was würdest du auf deinen Grabstein schreiben lassen?

 

Wer besonders reich war, hatte neben dem Beruf übrigens auch noch Hauseigentümer mit Adresse angeführt. Also z.B. Hauseigentümer am Rennweg N12. Faszinierend….

Welche Spuren hinterlässt du?

Nun wurde ich wirklich nachdenklich. Ich bin weder Hauseigentümer, noch möchte ich meine verschiedenen Tätigkeiten auf dem

Grabstein vermerkt haben – also wie soll man sich denn später an mich erinnern? Welche Spuren möchte ich hinterlassen?

 

Wenn du Kinder hast, ist es schon ein wenig leichter, denn dann bleibst du in Erinnerung. Ich spreche noch oft mit meiner Schwester über meinen früh verstorbenen Vater und auch über meinen Opa. Aber an meine Urgroßeltern erinnere ich mich kaum. Geraten wir also nach 2 bis 3 Generationen in Vergessenheit? Müssen wir einen Roman, einen Welthit oder ein wunderbares Gemälde erschaffen um tatsächlich Spuren zu hinterlassen? Was wenn das Talent fehlt? Reichen unsere Facebook- und Instagram-Posts? Brauchen wir mehr YouTube Videos von uns? Das Netz vergisst angeblich ja nichts – aber ist es nicht irgendwann überlastet?

 

Wann ist ein Leben wertvoll gewesen? Wann ist es wert erinnert zu werden?

Wann empfindest du dein Leben als gut gelebt und wertvoll?

 

Ich habe für mich beschlossen, ganz Yogi, den Wert des Momentes in das Zentrum zu stellen. Den Moment, indem ich jemandem anderen ein gutes Gefühl gebe. Dem anderen zeige: ich sehe dich.

 

Denn sind wir uns ehrlich, nichts anderes wollen wir: gesehen werden. Wahrgenommen werden. Einen Beweis, dass es uns gibt und dass wir wichtig sind.

Ich sehe dich! Ich höre dich! Du bist wichtig!

Als Teenager wollte ich unbedingt Schauspielerin werden. Mit Oscar Gewinn und allem Drum und Dran. Mir ging es damals nicht ums Geld – ich wollte berühmt sein. Denn - so der Gedanke - wenn ich berühmt bin, bin ich wichtig. Dann werde ich anerkannt und geliebt. Ja genau. In Wirklichkeit wollte ich einfach nur gesehen werden. Und natürlich geliebt. Rückblickend betrachtet bin ich sehr dankbar, dass ich nicht in meiner Jugend berühmt geworden bin – ich hätte es vermutlich gar nicht verkraftet.

 

Ich habe also für mich beschlossen, genau dieses Bedürfnis umzusetzen und andere Menschen bewusst zu sehen. Als ich gestern eine ältere Dame in einem schönen Kleid in der U-Bahn gesehen habe, habe ich zu ihr gesagt: "Sie sehen toll aus – das steht Ihnen ganz wunderbar“ - ohne etwas dafür zu erwarten. Wann hat dir das letzte Mal eine fremde Person gesagt du siehst gut aus, ohne etwas damit zu bezwecken? Wenn ich einem Bettler Geld gebe, schaue ich ihn an – ich sehe ihn und versuche nicht nur mein schlechtes Gewissen zu beruhigen. Und wenn ich meine Nachbarin treffe, nehme ich mir die Zeit ihr zuzuhören.

 

Das sind die Spuren die ich hinterlassen möchte. Die Spuren in den Gedanken der Menschen:

Ich werde gesehen, ich werde gehört, ich bin wichtig.

 

Wie sieht es bei dir aus? Welche Spuren hinterlässt du?

Wirst du gesehen und gehört?

 

Nun ist es doch ein nachdenklicher Beitrag geworden…. Ok, war vorauszusehen.

 

Ich würde mich sehr über dein Feedback und über deine Gedanken zu diesem Thema freuen. 

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