Im heutigen Beitrag dreht sich alles um Fakten und Biologie.
- Was passiert in deinem Körper in Stress-Situationen?
- Kann ein Job tatsächlich Bauchfett verursachen?
- Wie kann Yoga und Entspannung helfen?
Am Ende des Beitrags erfährst du drei Möglichkeiten ein entspannteres Leben zu führen.
Stress - Teil unseres Lebens
Wenn ich in meinen Seminaren oder Vorträgen die Frage "Wer von Ihnen hat Stress“ an das Publikum stelle, heben mit einem amüsierten Lachen mindestens 95% der Anwesenden die Hand. Amüsiert vermutlich deshalb, weil es undenkbar ist in der heutigen Arbeitswelt keinen Stress zu haben. Denn wer keinen Stress hat strengt sich ja nicht genug an. Wer keinen Stress hat ist faul. Oder - ganz gefährlich - wer zugibt keinen Stress zu haben bekommt vielleicht mehr Arbeit... Auf die Frage „Wie geht’s“ mit „Eh gut, aber ich bin so im Stress“ zu antworten ist schon beinahe automatisch. Schade eigentlich, denn gestresst zu sein bedeutet nicht automatisch besonders viel zu leisten. Oder besonders effizient zu sein. Oder Spitzenleistungen zu bringen.
Gestresst zu sein bedeutet schlicht, dass unser biologisches Notfallsystem zum Dauerzustand geworden ist – mit allen krankmachenden Konsequenzen. Ja ich weiß, „hab ich schon tausendmal gehört“… „Stress macht krank – wissen wir eh….“ – warum sitzen dann trotzdem so viele Leute in meinen Vorträgen wie man besser schläft? Warum nehmen Herz-Kreislauferkrankungen und Übergewicht zu? Und warum schieben wir Müdigkeit immer noch auf die Zeitumstellung oder das Wetter?
Hast du dich in letzter Zeit vielleicht abends erschöpft oder ausgelaugt gefühlt? Belohnst du dich nach einer anstrengenden Arbeitswoche gerne mit einer Pizza? Regst du dich manchmal über Kleinigkeiten übermäßig auf? Hast du das Gefühl, jeden Schnupfen in der Umgebung zu erwischen? Entspannt du dich am besten mit einem Glas Wein vor dem Fernseher?
Keine Sorge – alles keine bedenklichen Verhaltensweisen – aber vielleicht möchtest du die Ursache dafür wissen?
Erinnerst du dich noch an den Biologieunterricht in der Schule? Da hast du bestimmt etwas über das vegetative Nervensystem gelernt. Sympathikus & Parasympathikus. Kommt bekannt vor? Komm mit mir auf einen kleinen Ausflug in die Evolutionsbiologie…
Stress - damals und heute
Stell dir vor, du wärst ein Steinzeitmensch, vor Tausenden von Jahren. Du sitzt in deiner Höhle und schnitzt so vor dich hin oder fegst vielleicht den Boden (keine Ahnung was du damals so gemacht hast), als du plötzlich draußen Schritte hörst… hmmm … du wirst aufmerksam… und hörst ganz genau hin…. Die Schritte werden lauter….ganz kritisch ist es wenn es 4 Schritte sind. Schwere Schritte und Krallengeräusche. Du spürst schon, wie dein Herz ein bisschen schneller schlägt und deine Gedanken loslegen „wo kann ich hin“, „wo ist die Keule“, „wo sind die anderen“… wenn sich dann der Eingang verdunkelt und du ein lautes Grollen hörst geht’s richtig los: Dein Herz rast, du atmest schnell und flach, deine Muskulatur spannt sich an, du bekommst Schweißausbrüche, und deine Gedanken rasen denn du musst jetzt schnell entscheiden: Kampf oder Flucht!!!!
Eine übliche Situation damals – die Mal besser Mal schlechter ausgegangen ist. Im besten Fall, hast du überlebt und die Sippe hatte auch Fleisch zu essen, im schlechtesten Fall…. Naja.
Nun stell dir vor du sitzt nicht in der Höhle, sondern in deinem Büro. Schreibst etwas, kalkulierst etwas… keine Ahnung was du so machst. Nun hörst du draußen Schritte. Hmmmm...du wirst aufmerksam, wenn du merkst sie kommen zu deiner Tür und werden lauter. Es sind keine Krallen, aber es sind die
Stöckelschuhe der Chefin oder die genagelten Schuhe des Chefs… und sie bleiben vor deiner Tür stehen. Die Gedanken rasen „der wollte ja heute ein Gespräch mit mir“ „Ich habe die Umsatzzahlen nicht erreicht“, „der Bericht ist noch nicht fertig“ „die reden doch davon Leute zu kündigen…“ wenn sich dann leise die Tür öffnet, geht’s los…. Dein Herz schlägt schneller… du atmest flacher, dein Nacken verspannt sich, du bekommst nasse Hände und deine Gedanken rasen: was tun? Kampf oder Flucht geht nicht – also bleibt nur…. tot stellen. Hat früher nicht funktioniert und klappt heute auch nicht.
Warum Kampf oder Flucht nicht funktioniert? Kampf führt im Besten Fall zur Kündigung im schlimmsten Fall vors Arbeitsgericht. Flucht ist oft keine Option, wenn es nur einem Ausgang gibt und es fällt auf wenn wir es öfter praktizieren. Totstellen ist deshalb ungünstig, weil die Natur ihr Aktionsprogramm gestartet hat und dies nach Bewegung schreit. Nun hast du vermutlich eine sehr nette Vorgesetzte – aber das System funktioniert auch mit dem Nachbarn, den Kollegen, dem Partner, der Steuer, dem Hund, den Kindern, beim Autofahren…. Egal was dich in Stress versetzt – unser System reagiert immer gleich.
Stress und körperliche Reaktionen
Und das hat früher auch sehr viel Sinn gemacht. Denn was war die Notsituation? Angriff eines anderen Stammesangehörigen der deine Frau wollte (sorry Frauen aber ich geh davon aus, dass ihr euch nicht um die Männer geprügelt habt) oder Angriff eines Tieres das auf Futtersuche war. Viel dramatischer ist es nicht geworden. Auge in Auge mit dem Säbelzahntiger war es sehr sinnvoll, dass sich der Herzschlag und der Blutdruck erhöht hat – dadurch floss mehr Blut zu den Muskeln und weniger in den Magen/Darmtrakt und zur Haut. Wir haben auch mehr Sauerstoff gebraucht – deshalb flache und schnelle Atmung. Der tiefenentspannte Yogi hätte damals vermutlich nicht so schnell reagiert. Die Muskeln hatten mehr Spannung – wie bei einem Sprinter kurz vorm Start. Die Schweißausbrüche haben den auf Hochtouren laufenden Körper abgekühlt und uns gleichzeitig auch ein wenig glitschig gemacht – den kleinen Startvorteil bei Kampf oder Flucht.
Gleichzeitig hat unser Körper verstärkt Fettstoffe in das Blut abgegeben und den Blutzuckerspiegel erhöht um kurzfristig mehr Energiereserven zur Verfügung zu haben. Unsere Gedanken haben sich beschleunigt und gleichzeitig haben wir einen Tunnelblick bekommen: denn wenn du einem Säbelzahntiger gegenüberstehst brauchst du die schönen Blümchen und Schmetterlinge nicht zu bemerken – da zählt nur Überleben. In Summe haben wir es dem Nervensystem zu verdanken, dass es uns noch gibt.
In Summe verdanken wir aber heute dem Nervensystem Dinge wie Herz-Kreislauferkrankungen, Bauchfett, hohe Cholesterinwerte, psychische Probleme und Erschöpfung. Nein, das Nervensystem kann nichts dafür – unsere Lebensweise ist dafür verantwortlich. Die Signale an unser Nervensystem schickt nämlich unser Gehirn. Und unser Gehirn weiß nicht ob eine Gefahr real, ausgedacht, erwartet oder erinnert ist. Für unser Gehirn ist immer Alarm auch wenn wir nur Angst vor einer Kündigung haben. Die Worte des Partners oder der Partnerin „Du, wir müssen reden“ ist für unser Gehirn genauso wie das Grollen des Säbelzahntigers – und es löst sofort eine Welle an Stresshormonen in Körper aus.
Stress und Bauchfett
Apropos Stresshormone… Wusstest du, dass dein Job vielleicht an deinem Bauchfett schuld ist?
In Stress-Situationen schüttet der Körper nämlich zuerst einmal Adrenalin, Noradrenalin und Cortisol aus. Brauchen wir auch, denn sonst könnten wir nicht kurzfristig Hochleistungen bringen. Adrenalin und Noradrenalin sind auch nicht so dramatisch. Aber das Cortisol…. Das führt dazu dass sich unser Blutzuckerspiegel erhöht und treibt das Blutfett hoch. Cortisol regt auch den Appetit an – ganz besonders macht es Lust auf Fett und Zucker. Deshalb ist es kein Wunder, dass wir in Stress-Situationen zum Schokoriegel oder zum Packerl Chips greifen – die Biologie hat es so vorgesehen (nur gab es für den Steinzeitmensch halt nicht so viel zur Verfügung). Wenn wir also nun weder kämpfen noch fliehen – also in der heutigen Zeit schlicht: uns bewegen, dann lagert das Cortisol alles zur Sicherheit für schlechte Zeiten. Und ganz gemein: am Bauch. Nun gibt es ja zwei Arten von Bauchfett: das subkutane Fett (auf den Bauchmuskeln) und das viszerale (unter den Bauchmuskeln). Das erstere ist zwar nicht so hübsch, aber gesundheitlich nicht bedenklich. Das zweite jedoch sehr wohl, denn es umgibt Herz, Nieren und Leber. Und du kannst dir schon denken wo Cortisol Fett speichert? Genau: unter den Bauchmuskeln. Ein Grund warum Stress so gesundheitsschädlich ist. Durch die Erhöhung der Blutfettwerte kommt es auch zur Erhöhung des Cholesterinspiegels und in Verbindung mit stressbedingtem hohen Blutdruck steigt die Gefahr eines Herzinfarktes.
Also zusammengefasst: bist du immer im Stress, will dein Körper Fett und Zucker. Bewegst du dich dann nicht ausreichend legt er es für schlechte Zeiten in deiner Bauchhöhle an und macht somit nicht nur dick, sondern erhöht auch dein Krankheits- und Herzinfarktrisiko. Also solltest du mit einem kleinen Speckbaucherl kämpfen – vielleicht ist der Job, der Chef, der Nachbar, der Hund… schuld. Aber wer die Schuld hat, hat die Macht – möchtest du dir die Macht über deinen Körper nicht lieber zurück holen? Im übrigen, war das leider noch nicht alles was Cortisol verursacht.
Cortisol - die Gefahr
Wenn du länger unter Stress stehst, vergisst du dann öfter Dinge? Hast du das Gefühl dich nicht so gut konzentrieren zu können? Cortisol greift nämlich auch die Nervenzellen im Hippocampus an. Dies ist jener Bereich in unserem Gehirn, der für Gedächtnis und Lernen verantwortlich ist. Aber die gute Nachricht: bei weniger Stress und somit weniger Cortisol Ausschüttung. kann sich dieser Bereich schnell regenerieren.
Ich habe vorhin auch den Tunnelblick angesprochen. In Stresszeiten fühlen wir uns oft machtlos, und ausgeliefert. Wir sehen gar keinen Ausweg und hasten im Hamsterrad dahin. Das ist auch durch den Sympathikus bedingt. Der Tunnelblick hat uns früher den lebenswichtigen Fokus verliehen – heute hindert er uns eher daran auch andere Möglichkeiten zu erkenne, bzw. die Blümchen und Schmetterlinge – also alles Schöne im Leben…
Oxytocin & Serotonin - die Gegenspieler
Das war nun ganz schön schwarz gemalt oder? Aber keine Sorge – die Natur will uns ja überleben lassen, also hat Sympathikus und Cortisol einen Gegenspieler. Den Parasympathikus und Oxytocin. Schon Mal gehört? Oxytocin wird auch oft als Kuschelhormon bezeichnet. Wenn Cortisol mit Angst, Erregung und Angriff in Verbindung gebracht wird, sorgt Oxytocin für Ruhe, Verbundenheit und Regeneration. Wenn wir zu wenig Oxytocin im Körper haben, verspüren wir leicht das Gefühl von Einsamkeit. Wenn wir zusätzlich auch noch zu wenig Serotonin im Körper haben (= das gute Laune Hormon) dann ist die Niedergeschlagenheit schon vorprogrammiert.
Aber wie können wir nun Parasympathikus, Oxytocin und Serotonin aktivieren?
Früher hat sich der Parasympathikus automatisch aktiviert – sobald die Gefahr vorbei war (also erfolgreich bekämpft oder davon gelaufen), sind alle Systeme wieder auf Normalzustand heruntergefahren und Körper und Geist haben sich entspannt. Heute ist die Gefahr aber nie vorüber oder kaum ist sie vorüber folgt die nächste, d.h. wir müssen die Entspannungsreaktion erst wieder lernen – das geht, denn wir haben es ja auch geschafft sie zu verlernen.
3 Wege die Entspannungsreaktion zu fördern
1. Weniger Bewerten
Ich habe vorhin gesagt, das Gehirn weiß nicht was real ist. Es richtet sich nämlich nach deiner Bewertung. Wenn ich dir zum Beispiel sage, dass du morgen vor 100 Leuten einen Vortrag halten sollst, dann denkst du vielleicht sofort an Flucht und der Sympathikus fährt sein volles Programm oder du machst das richtig gern und freust dich drauf. Dann bist du vielleicht auch nervös – aber es ist keine Urangst dabei. Zum Thema Bewertung gibt es meinen Lieblingsspruch:
„Wir sehen die Welt nicht wie sie ist.
Wir sehen die Welt wie wir sind.“
Ein Beispiel aus meinem Leben: ich lebe in Wien in einer Gegend in der in der Straßenbahn sehr wenig Deutsch gesprochen wird. Ich finde das total spannend und versuche immer herauszufinden woher die Leute kommen. Ist ein bisschen wie Urlaub, denn in Barcelona versteh ich in der U-Bahn ja auch keinen. Das letzte Mal saß eine Frau mit mir in der Straßenbahn und hat sich lautstark darüber beschwert dass in Wien bald niemand mehr Deutsch spricht. Da habe ich darüber nachgedacht: Als ich in den USA studiert habe und zufällig auf eine Österreicherin getroffen bin, haben wir uns auch in unserer Heimatsprache unterhalten – das hieß aber nicht dass wir beide nicht Englisch konnten. D.h. nur weil sich in der Straßenbahn jemand vielleicht mit dem Bruder in der Heimatsprache unterhält, bedeutet das nicht, dass er oder sie nicht Deutsch kann. Verstehst du was ich meine? Wir haben alle die gleiche Situation mit der wir konfrontiert sind, aber unsere Erfahrungen, Einschätzungen und Erwartungen bestimmen ob wir es nett finden oder Angst davor haben. Und unsere Bewertungen basieren auf unseren Erfahrungen unserer Erziehung, unserem Umfeld. Wie viel Wissen und Information wir haben und wie sehr wir uns von der Umwelt und den Medien beeinflussen lassen.
Ich habe vor kurzem in dem Buch „Hilfe bei Stress und Belastung“ gelesen, dass es einen Zusammenhang von Bewertung und körperlicher Anspannung gibt. Studien zufolge gilt, dass wenn wir körperlich angespannt sind, unsere Bewertungen von Situationen überwiegend ungünstig ausfallen. Beobachte dich in den nächsten Tagen einmal ob das bei dir vielleicht auch stimmt.
2. Zur Ruhe kommen
Die nächste Möglichkeit, den Parasympathikus zu aktivieren ist über die Atmung und durch Entspannungsübungen. Du kannst zum Beispiel die 3-5 Atmung praktizieren, d.h. länger ausatmen als du einatmest. Du zählst also beim Einatmen bis 3 und beim Ausatmen bis 5 – Dadurch aktivierst du direkt den Parasympathikus und beruhigst auch den Geist. Denn wenn der Geist mit Zählen beschäftigt ist, kann er sich nicht gleichzeitig Sorgen machen. Es gilt:
„Ein ruhiger Atem ist ein ruhiger Geist.“
Durch Yoga oder eine andere körperliche Entspannungsübung kannst du auch ganz bewusst damit beginnen Anspannungen aus dem Körper zu lösen – dadurch beeinflusst du deine Gedanken, sie kommen zur Ruhe und Bewertungen werden günstiger und der Parasympathikus kann sein Werk tun. Neue Studien des Indischen Instituts für mentale Gesundheit und Neurowissenschaften haben auch gezeigt, dass nach einem Monat Yoga-Therapie bereits ein Anstieg von Oxytocin im Blut nachgewiesen werden kann.
3. Die Macht der Berührung
Apropos Oxytocin: davon hätten wir gerne mehr! Oxytocin wird durch Berührungen ausgeschüttet – das kann jemand sein, den du liebst, aber auch das Streicheln eines Haustieres oder die Berührung bei einer Massage. Auch nur das Zusammensein mit einem guten Freund, oder die Erinnerung an schöne Erlebnisse, der Duft des Lieblingsessen das an Mutter zu Hause erinnert oder das Singen eines Liedes schüttet verstärkt das Bindungshormon aus.
Fazit
So, das war heute eine ganz kleine Einführung in die Welt der Stresshormone. Ich habe mich bewusst auf Cortisol und Oxytocin beschränkt, auch wenn es noch viel mehr zu erzählen gebe, weil ich glaube dass es für den Anfang reicht zu verstehen was ein ängstlicher Gedanke im Körper auslöst. Und das das überhaupt nicht bedrohlich ist, wenn du weißt wie du es in das Gegenteil verändern kannst.
Wenn du einen der Tipps oben beherzigst und in Zukunft vielleicht erst einmal tief durchatmest bevor du dich aufregst, steigen deine Chancen auf ein längeres Leben und es kann auch dabei helfen, dass der Hosenbund nicht gar so zwickt.
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